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Was ist PPPD?
PPPD steht für engl. „Persistent Postural-Perceptual Dizziness“ und hat sich aus dem früher verwendeten Begriff „Chronic Subjective Dizziness“ (CSD) entwickelt.
PPPD ist ein Syndrom, welches Symptome zusammenfasst, die in Deutschland unter den unterschiedlichsten Begriffen geläufig waren und immer noch sind:
- Phobischer Schwankschwindel
- Benommenheitsschwindel
- Angstschwindel / Psychischer Schwindel
- Diffuser Schwindel
- HWS Schwindel (sehr umstritten)
- Schwindel ohne Befund
PPPD ist sozusagen die Nachfolgebezeichnung des phobischen Schwankschwindels und wird in der Internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD) als ICD-11 aufgenommen. Insbesondere der Begriff „phobisch“ war aufgrund der neuesten Erkenntnisse nicht mehr zeitgemäß. Es bleibt aber abzuwarten, ob sich der Begriff PPPD (oftmals auch Triple PD) gesprochen, gegen die geläufigen Begriffe durchsetzen kann.
Welche Symptome hat man bei PPPD?
Das Leitsymptom bei PPPD ist ein mind. 3 Monate lang anhaltender Schwankschwindel (kein Drehschwindel) bzw. das Gefühl von Schaukeln wie auf einem Boot und Benommenheit (von Betroffenen häufig beschrieben als Betrunkenheitsgefühl).
Die Symptome verschlechtern sich meist wenn man steht oder sitzt und verbessern sich im Liegen. Eine Verschlechterung beschreiben viele Betroffene außerdem bei schnellen Kopfbewegungen und wenn man selbst in Bewegung ist und vielen visuellen Eindrücken ausgesetzt ist (z.B. im Supermarkt oder überfüllten Orten mit vielen Menschen wie Einkaufscentern, Messen, Bahnhöfen, Flughäfen oder auch in Meetings).
Auch eine Zunahme beim Fokussieren des PC-Bildschirms ist charakteristisch. Bei vielen Betroffenen bessern sich die Symptome nach einer bestimmten Menge Alkohol, bei Ablenkung (z.B. Auto fahren, Sport, Gartenarbeit, Lesen usw.).
Damit man von PPPD ausgehen kann, müssen die Symptome mindestens die Hälfte der Tage pro Monat auftreten. Bei vielen ändert sich der Zustand oft: Es gibt schlechte Tage, dann wieder leicht bessere, manchmal sind die Symptome auch gar nicht präsent, aber in der Regel haben viele die Symptome jeden Tag, wobei es auch innerhalb des Tages große Unterschiede geben kann. Viele berichten, dass es ihnen morgens direkt nach dem Aufstehen noch relativ gut geht und die Symptome dann so 0,5 – 2 Stunden nach dem Aufstehen zunehmen. Auch von Besserungen abends wird häufig berichtet. Es gibt aber auch Fälle da sind die Symptome 24/7 präsent, insbesondere die Dauerbenommenheit. Schwindelattacken, auch sehr kurzer Sekundenschwindel, können ebenfalls auftreten.
Begleitet wird die Problematik oft von Angst, Panik, chronische Hyperventilation, erhöhte Anspannung, verspannter Nacken, Rücken, Kiefer sowie Schmerzen und Schwächegefühle. Die Liste an möglichen Begleitsymptomen ist lang und sehr diffus.
Häufige Ursachen von PPPD
Viele der Symptome findet man auch bei Erkrankungen wie Angststörung, Depression / Burnout, Nebennierenschwäche, Schilddrüsenerkrankungen wie Hashimoto, Borreliose, Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie Histaminintoleranz oder CMD. Es ist daher sehr schwer zu ermitteln, was Ursache und was Folge ist. So können z.B. Panikattacken PPPD begleiten, es kann aber auch umgekehrt sein, dass eine initiale Panikattacke erst zu PPPD geführt hat. Die begleitenden, vielfältigen Untersuchungen führen dann nicht selten zu einer Angststörung.
In vielen Fällen startet PPPD tatsächlich mit einer Panikattacke bei der Drehschwindel auftritt oder mit einer organischen Schwindelursache wie Lagerungsschwindel oder einem Ausfall des Gleichgewichtsorgan. Es startet also fast nie langsam, sondern es gibt ein auslösendes „Event“. Ein solcher Auslöser kann auch ein Schleudertrauma sein und dies ist vor allem im Zusammenhang mit dem häufig diskutierten HWS Schwindel interessant. Die Schwindelproblematik mit Schwankschwindel und Benommenheit muss also nicht an der HWS liegen, sondern PPPD kann direkt durch das Schleudertrauma ausgelöst worden sein. Auch Schlaganfälle und Sportverletzungen (z.B. Gehirnerschütterung durch Fahrradunfall) sind mögliche Ursachen. Die vestibuläre Migräne – eine Diagnose die Betroffene in vielen Schwindelambulanzen bekommen – kann ebenfalls PPPD auslösen. In Verdacht stehen auch Medikamente wie z.B. einige Antibiotika.
Diagnose von PPPD
Die Diagnose von PPPD gestaltet sich äußerst schwierig. Viele Betroffene haben einen wahnsinnigen, teilweise mehrjährigen Ärztemarathon hinter sich, in dem sie die unterschiedlichsten Diagnosen erhalten haben. Häufig dabei sind:
- Angststörung
- Depression / Burnout
- Vestibuläre Migräne
- HWS Syndrom / Zervikobrachialsyndrom
- Zervikogener Schwindel
- CMD – Craniomandibuläre Dysfunktion
- Chronische Hyperventilation
- Vestibularisparoxysmie
- Phobischer Schwankschwindel
- Psychosomatose
- Hashimoto
- Histaminintoleranz
- Vegetative Dystonie
Nicht selten wird auch gar keine Diagnose gestellt, also ein Schwindel ohne Befund. Die Betroffenen gelten als strukturell gesund, da alle körperlichen Untersuchungen beim Hausarzt, Neurologe, HNO oder Orthopäde die Symptome nicht erklären können. Auch Blutbefunde und bildgebende Diagnostik wie MRT HWS und CT Kopf zeigen bis auf einige Nebenbefunde wie „Steilstellung HWS“ oder „Schulterhochstand“ nichts wesentliches. Ein Rezept für 6 x manuelle Therapie und „ja, sie können arbeiten gehen“, wobei die Betroffenen sich fragen „wie man in diesem Zustand arbeiten soll“.
Natürlich ist eine gründliche, körperliche Untersuchung vor allem zu Beginn sehr wichtig, wenn aber nach dem 8. MRT, dem 6. Neurologen und dem 3. Zahnarzt immer noch nicht klar ist, ob der Schwankschwindel und die Benommenheit von der HWS, einer Angststörung oder einer CMD kommt, sollte man PPPD in Betracht ziehen. Es gibt einige Hinweise bzw. einfache Fragestellungen, die auf PPPD hindeuten können:
- Verbessern sich die Symptome im Liegen und bei Ruhe?
- Verbessern sich die Symptome nach einer bestimmten Menge Alkohol?
- Verbessern sich die Symptome bei kompletter Ablenkung (z.B. Gartenarbeit, Sport, Thermalbad, Film schauen, Sex, Auto fahren (manchmal auch schlechter wegen Fokussierung)?
- Verschlechtern sich die Symptome im Stehen und Gehen, insbesondere wenn man visuellen Reizen ausgesetzt ist (z.B. Supermarkt, Einkaufscenter, viele Menschen, Kopfbewegungen)?
- Verschlechtern sich die Symptome bei Stress und Anspannung?
- Verschlechtern sich die Symptome beim Fokussieren des PC Bildschirms?
- Sind die Symptome seit mind. 3 Monaten vorhanden und treten an den meisten Tagen des Monats auf (häufig täglich)?
- Sind die Symptome zuhause tendenziell besser als unterwegs unter Menschen?
- Sind die Symptome tendenziell morgens nach dem Aufstehen noch besser, verstärken sich über den Tag hinweg und werden spät abends häufig wieder etwas besser?
- Sind die Symptome oft diffus und wechseln sich teilweise je nach Tag oder Tageszeit ab, auch in ihrer Intensität?
- Gab es ein auslösendes Ereignis, seitdem der Schwindel da ist, z.B. Panikattacke, Unfall/Schleudertrauma, Schicksalsschlag, auftretende Konflikte, organische Diagnose wie Lagerungssschwindel?
- Bist du eher ein introvertierter, ängstlicher Typ?
- Bist du schnell unter Stress oder hast Angst, wenn unvorhergesehene Dinge passieren?
Nicht alle diese Fragestellungen müssen zutreffen. Auffällig bei PPPD ist aber das erhöhte Auftreten bei Personen, die bereits an Angststörungen und/oder Depressionen leiden. In den Studien von Dr. Jeffrey P. Staab hatten 60% der Betroffenen Angstzustände und 45% eine klinische Depression. Allerdings hatten auch 25% weder eine Angststörung, noch eine Depression.
PPPD kann also – und dass unterscheidet es von früheren Beschreibungen dieser Symptomatik – ohne psychische Ursachen entstehen. Es ist keine reine psychische Erkrankung, sondern kann auch durch zunächst organische Erkrankungen wie Lagerungsschwindel oder Unfälle / Schleudertrauma entstehen und dann aber in vielen Fällen erst zu Angstzuständen führen (Schwindel macht automatisch Angst). Dies erklärt auch warum viele Betroffene berichten dass sie keine psychischen Ursachen bei sich ausmachen konnten, aber trotzdem an Schwindel und Benommenheit leiden. Bei näherer Betrachtung finden sich dann meist aber doch Ereignisse wie z.B. Unfälle / Schleudertrauma, initiale Drehschwindelattacken, Konflikte, Medikamente oder hohes Stresslevel aufgrund bestimmter Lebensumstände.
Da PPPD noch relativ neu ist, werden viele Betroffene vermutlich am ehesten die Diagnose „phobischer Schwankschwindel“ erhalten. Die Empfehlungen die wir hierzu im Buch beschrieben haben, gelten natürlich auch für PPPD.
Behandlung von PPPD – Was hilft bei PPPD Schwindel?
Der aktuelle schulmedizinische Behandlungsschwerpunkt bei PPPD liegt bei Medikamenten (primär Antidepressiva / SSRIs) sowie bei Psychotherapie und vestibulärer Rehabilitationstherapie. Viele Betroffene stellen allerdings fest, dass diese Standardbehandlungen oft nicht oder nicht alleine ausreichen, um die Symptome deutlich zu verbessern oder komplett loszuwerden. Gerade bei Antidepressiva und Psychotherapie sind die Erfahrungen sehr unterschiedlich. In unserem Selbsthilfebereich findest du hierzu viele Erfahrungsberichte, Übungen und Videos. Wir stellen außerdem weitere Methoden vor, die Betroffenen geholfen haben, PPPD zu besiegen.
Wir haben außerdem einen Newsletter, indem wir regelmäßig neue Tipps, Erfahrungsberichte und Erkenntnisse rund um PPPD teilen.
Und schließlich gibt es eine PPPD Selbsthilfegruppe bei Facebook, in der sich Betroffene austauschen können.